#infosociety #dsgvokratie Datenschutzschützer bedroht Arbeitsmodell von Openjur


twitter.com/openjur/status/1543172714801860608

Ich möchte nicht unfair sein: Noch verbieten die Datenschutzschützer nicht die anonymisierte Veröffentlichung von Gerichtsverhandlungen. Offensichtlich scheint der Hamburgische Landesdatenschutzbeauftragte das Gegenteil allerdings grob fahrlässig in Kauf zu nehmen. Denn sein behördliches Handeln könnte die Veröffentlichung von Gerichtsverhandlungen in der digitalen Welt unmöglich machen.

Worum geht es (nach den via Twitter nur spärlich vorliegenden Informationen): Bei der Veröffentlichung von Urteilen anonymisieren Gerichte die Namen der Beklagten bzw. Parteien. (Dass das Bundesverfassungsgericht nun sogar schon die Namen der beteiligten Anwälte schwärzt, war für die Rechtsgeschichte und die transparente Fortentwicklung des Rechts schon herb genug.) Openjur ist nach eigenen Angaben „eine freie Rechtsprechungsdatenbank, gemeinnützig betrieben mit Sitz in Hamburg. (Sie) dokumentier(t) Rechtsprechung – unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen (https://openjur.de/)“. Eine solche Plattform ist ein Segen – ein Segen für Juristen, für interessierte Bürger und insbesondere für die Transparenz und Nachprüfbarkeit des Rechtsstaates.

Aber schafft dieser Staat des Rechts noch den Ausgleich zwischen den materiellen Grundrechten der Einzelnen? Oder hat er sich vielmehr schon zu einem Staat des Datenschutzrechts entwickelt. Openjur geht bona fide davon aus, dass die von den Gerichten veröffentlichten Urteile nicht nur materiell, sondern auch formal richtig sind. Und hier kommt nun der Hamburgische Landesdatenschutzbeauftragte ins Spiel. Er möchte Openjur auferlegen, dass diese fortan die von den Gerichten getätigten Veröffentlichungen auf formale Richtigkeit der Anonymisierungen prüfen. Abgesehen davon, dass Openjur Aufgaben den Staates übernehmen würde, würde eine solche Verpflichtung wegen des damit verbundenen Mehraufwandes das Ende der Plattform und vergleichbarer Angebote bedeuten.

Nach dem Ausschlussprinzip verbleiben meines Erachtens nur drei Motive für solch obrigkeitliches Handeln:

  1. Wenn der Hamburgische Landesdatenschutzbeauftragte ist sich der Tragweite seines Handelns nicht bewusst ist, sollte umgehend seines Amtes entbunden werden.
  2. Der Hamburgische Landesdatenschutzbeauftragte sieht den Datenschutz als ein Grundrecht das über dem Verfassungsrang der Öffentlichkeit der Verhandlungen steht.
  3. Um die Öffentlichkeit von Verhandlungen einzuschränken und die Transparenz unserer Rechtssprechung zu behindern, setzt der Hamburgische Landesdatenschutzbeauftragte sein Schwert ein.

Meine persönliche Einschätzung ist, dass der Hamburgische Landesdatenschutzbeauftragte einer allgemeinen gesellschaftspolitischen Entwicklung folgt. Demnach handelt es sich bei Datenschutz um ein immer unabdingbarer werdendes Grundrecht (ich nenne es primäres Grundrecht). Andere Grundrechte und Bestimmungen von Verfassungsrang (ich nenne sie sekundäre Grundrechte) werden immer nachrangiger.

Dass der Hamburgische Landesdatenschutzbeauftragte auch für Informationsfreiheit zuständig ist, vermag ich an dieser Stelle nur als grotesk bis makaber zu bezeichnen.

Erste Berichterstattung bei https://archivalia.hypotheses.org/150300 (03.07.2022);

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