durchsichten: Nationale und transnationale Perspektiven der Geschichte der Sprachwissenschaft, hrsg. v. Gerda Gaßler. Münster 2011


http://www.uni-potsdam.de/romanistik/hassler/298-00%20%282%29.pdf

In den letzten Jahren ist die Entstehung sprachtheoretischer Konzepte und Theorien innerhalb von geographischen Räumen verstärkt in das Blickfeld der Historiographie der Linguistik gerückt. In diesem Kontext wird der Begriff der ‘Tradition’ häufig auf Zusammenhänge in großen, durch sprachliche und historische Gemeinsamkeiten gekennzeichnete Linien der Sprachreflexion bezogen. Zweifellos ist es sinnvoll, von einer indischen, arabischen oder griechisch-lateinischen Tradition, beispielsweise in der Grammatikographie, zu sprechen. Besonderheiten und Gemeinsamkeiten des
Sprachdenkens treten jedoch auch in engeren geographischen Bezugsräumen auf und wirken über diese hinaus, ohne ihre Markiertheit durch die Herkunft aufzugeben. Wissenschaftliche Perspektiven werden durch diese Prägung beeinflusst, ebenso wie eine geographische Erweiterung des Frage- und Theoriebildungsprozesses ihre Spuren hinterlässt. In diesem Sinne wurde als Titel dieses Bandes Nationale und transnationale Perspektiven der Geschichte der Sprachwissenschaft gewählt. Der diesem Verständnis zugrundeliegende Begriff ‘Nation’ geht nicht primär von einer staatsbezogenen
Entwicklung aus, sondern steht zunächst der vorbürgerlichen Benennungspraxis der Studenten an den ersten Universitäten nach ihrer Herkunft aus den einzelnen europäischen Regionen als nationes nahe. Dass jedoch auch politische und juristische Bedingungen für die Entwicklung der Sprachwissenschaft relevant sind, wird bei der Betrachtung der späteren Zeiträume deutlich.

Text: Gerda Haßler: Einleitung, in: Ebd., hier S. ix.

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