Direkte oder indirekte Wahlen – was ist der Königsweg demokratischer Kultur? Das Beispiel der Senatorenwahl an der LMU München.


Die vergangene (indirekte) Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung sowie das Schweizer Minarettverbot durch einen (direkten) Volksentscheid trugen zu einer teils lebhaften Diskussion über Vor- und Nachteiler direkter und indirekter Demokratie bei. Die einen fürchten, des Volkes Meinung könnte unbesonnene Entscheidungen hervorbringen; die anderen sprechen davon, die immer größer werdende Distanz zwischen Regierten und Regierenden schließen zu wollen. Auf der Suche nach einem Königsweg scheiden sich die Geister. Aber gibt es ihn überhaupt – einen Königsweg demokratischer Kultur? Oder scheint es nicht gebotener, den Königsweg je nach – politikwissenschaftlich gesprochen – politischem System neu zu definieren?

An der LMU München werden im Oktober zum ersten Mal die studentischen Vertreter im Senat – dem höchsten Gremium der Universität – nicht mehr direkt, sondern vom Konvent der Fachschaften in dessen konstituierender Sitzung gewählt. Dieser Konvent besteht aus den Vertretern der Fachschaftsvertretungen der einzelnen Studiengänge, welche wiederum direkt von den Studierenden gewählt wurden. Die studentischen Vertreter im LMU-Senat werden somit nach einem klassisch indirekten Wahlmodus bestimmt. Gewiß, dieses Modell ist vor allem bei den parteipolitisch gebundenen Hochschulgruppen nicht unumstritten. Seine Vorzüge werden allerdings bei einer Betrachtung des status quo ante deutlich.

Bis einschließlich 2010 hatten an der LMU München die Studierenden zwei Wahlen durchzuführen: die Wahlen zu den jeweiligen Fachschaftsvertretungen und diejenigen zu den Vertretern im Senat. Man möchte nun meinen, dass insbesondere die Wahlen zu den basisnahen Fachschaftsvertretungen auf Seite der Wählenden wie auch der Gewählten auf großes Interesse hätten stoßen dürfen. Besteht hier doch das beste Rekrutierungspotential! Die Wahrheit sieht allerdings nüchterner aus: Durchschnittlich nicht weit über 10 % Wahlbeteiligung seitens der Studierenden scheinen bereits ein herber Schlag für die Legitimation studentischer Mitbestimmung. Was aber sagt es aus, dass zu fast allen Fachschaftsvertretungen nur parteiungebundene Listen (zudem ohne Gegenlisten) kandidieren, während zu den Senatswahlen beispielsweise 2008 insgesamt neun Listenvorschläge eingereicht wurden?

Man könnte nun argumentieren, dass es in den Fachschaftsvertretungen nichts zu entscheiden gäbe – allein eine solche Argumentationsweise würde schon Bände sprechen. Hierbei vergisst man allerdings, dass die Fachschaftsvertretungen einer Fakultät durch Ihre Vertreter im Fakultätskonvent die studentischen Vertreter in den Fakultätsräten (den höchsten Gremien der Fachbereiche) bestimmen. Aber auch hier hielt sich das Interesse parteigebundener Hochschulgruppen bisweilen in höchsten Grenzen. Sicherlich ist es reizvoll, eine Liste für den Senat aufzustellen, wenn man nur über universitätsweit zehn Unterstützer verfügen muss (§ 8 Abs. 4 Satz 1 BayHSchWO)! Sicherlich ist es auch mühsamer, sich nach Art einer Ochsentour in die Fachschaftsvertretungen wählen zu lassen, um von dort aus zu versuchen, über Fakultätskonvent und Konvent der Fachschaften Einfluss auf Personalien zu nehmen!

Umgekehrt zu behaupten, parteigebundene und weitere Hochschulgruppen würden sich ausschließlich für die protokollarisch hochdotierten Ämter von Senatoren (und Hochschulräten) interessieren, wäre auch zu einfach. Gibt es doch häufig parteigebundene Einzelpersonen, welche auf parteilosen Listen kandidieren; die Hochschulgruppe einer für ihre Arbeitnehmernähe bekannten Volkspartei unterstützte in den vergangenen Jahren sogar die parteilose Liste der Fachschaften für den Senat und engagierte sich auf dem Konvent. Doch betrachtet man, welche Befugnisse der Konvent der Fachschaften bereits vor Einführung der indirekten Senatorenwahl hatte, müssen sich die Hochschulgruppen die Frage gefallen lassen, warum sie sich für dessen Arbeit bisweilen nur sporadisch interessierten. Wählt der Konvent doch nicht nur die studierendenvertretungsinternen Ämter (Geschäftsführung, Referate etc.), sondern auch die Vertreter in den zentralen Ausschüssen, der Erweiterten Hochschulleitung und der zentralen Studienbeitragskommission.

Was aber sind die expliziten Vorteile des neuen Systems? Bei der Studierendenvertretung handelt es sich um die Vertretung einer per se erst einmal nicht politisch zu verortenden Gruppe. Insofern erscheint es mehr als wichtig, dass die Interessen der Studierenden gegenüber den Interessen anderer universitärer Gruppen mit einer Stimme vertreten werden. Dies ist für die Vertreter in den zentralen Ausschüssen, der Erweiterten Hochschulleitung sowie der zentralen Studienbeitragskommission durch deren einheitliche Benennung durch den Konvent gewährleistet, auch wenn diese mit „nur“ einem fakultativen Mandat ausgestattet sein mögen. Allein die studentischen Senatoren und theoretisch auch der aus deren Reihen gewählte studentische Hochschulrat können diese einheitliche Stimme stören. Inwiefern dies mehr Partikularinteressen als den Interessen der gesamten Studierendenschaft dient, soll an anderer Stelle beantwortet werden.

Wird dieses neue Modell die Folge haben, dass sich die Hochschulgruppen auch mehr auf Ebene der Fachschaften engagieren? Es bleibt zu hoffen! Man stelle sich nur vor, die etablierten Parteien würden erst ab Landesebene kandidieren und die kommunale Ebene den Bürger- und Freien Wählerinitiativen überlassen. Ein verheerendes Bild! Gibt es somit einen Königsweg demokratischer Kultur? Dies ist fallweise zu entscheiden – manchmal kann es allerdings zielführender sein, die direkten Mitwirkungsrechte des Einzelnen zu Gunsten eines funktionierenden Systems einzuschränken

Andreas C. Hofmann (*1980), Ältestenrat für Rechtsangelegenheiten (komm.) der Studierendenvertretung der LMU München, Juni 2008 bis September 2009 Mitglied der Erweiterten Hochschulleitung der LMU München.

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